Sommerreifenpflicht in Italien?!


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Sommerreifenpflicht in Italien?!
Die Reisesaison beginnt – und mit ihr eine Welle der Verunsicherung unter Wohnmobil- und Wohnwagenfahrern: Gilt in Italien ab Mitte Mai wirklich eine Sommerreifenpflicht? Und drohen tatsächlich Bußgelder in vierstelliger Höhe?
In dem Artikel erfahren Sie, was an den Berichten über eine angeblich verschärfte Regelung dran ist – und warum die Vorschriften nicht neu sind, aber dennoch ernst genommen werden sollten. Denn Bußgelder können fällig werden bis 1.734 Euro, denn die italienische Regierung nimmt die „falsche“ Bereifung sehr ernst.
Was besagt die Vorschrift wirklich?
Vielfach wird von neuen Vorschriften ab April 2025 gesprochen. Doch tatsächlich existiert die sogenannte „Sommerreifenpflicht“ in Italien bereits seit 2014. Grundlage ist die ministerielle Verordnung „Circolare prot. n. 1049“. Sie regelt, dass zwischen dem 15. Oktober und dem 15. April Winterreifen mit bestimmten Spezifikationen erlaubt oder erforderlich sind. Eine Übergangsfrist bis zum 15. Mai ermöglicht das Umrüsten auf Sommerreifen.
Kritisch wird es ab dem 16. Mai: In den Sommermonaten dürfen Winter- und Ganzjahresreifen nur dann verwendet werden, wenn ihr Speedindex (Geschwindigkeitsindex) mindestens dem im Fahrzeugschein angegebenen Wert entspricht. Wer das ignoriert, riskiert empfindliche Strafen.
Bußgelder für Nichteinhaltung der Vorschrift
Die Strafen bei Verstößen gegen die Reifenvorschriften sind drastisch:
- Verbotene Reifen in Sommermonaten (16. Mai – 15. Oktober)
- Winter- oder Ganzjahresreifen mit zu niedrigem Speedindex (16. Mai – 15. Oktober):
Bußgeld: 431 bis 1.734 Euro. Bei sofortiger Zahlung reduzierbar.
Möglich: Beschlagnahme des Fahrzeugs, behördliche Nachkontrolle - Beispiel: Im Fahrzeugschein ist Index H (210 km/h) vorgeschrieben, montiert sind Reifen mit nur T (190 km/h).
- Begründung: Im Winter ist das Fahren mit Winterreifen mit niedrigerem Speedindex erlaubt. Zum Sommer muss dann aber gewechselt werden. Die Frist für den Wechsel zieht sich bis in den Mai.
- Das Verbot gilt für alle Kraftfahrzeuge und Anhänger, also auch Wohnwagen. Ausnahmen gibt es lediglich für Motorräder.
Auch eine Beschlagnahme des Fahrzeugs sowie eine Nachkontrolle kann durch die Polizei angeordnet werden. Bei dieser wird überprüft, ob die Reifen den vorgeschriebenen Geschwindigkeitsindex einhalten.
- Abgenutzte Reifen (unabhängig von der Saison):
- Für Sommer- und Winterreifen beträgt die Mindestprofiltiefe für Pkw und Nutzfahrzeuge 1,6 mm (EU-Richtlinie)
- Für Motorräder und Leichtkrafträder beträgt die Mindestprofiltiefe 1,0 mm (EU-Richtlinie)
- Bei Zuwiderhandlung drohen Bußgelder zwischen 80 und 335 Euro.
So prüfen Sie den Speedindex von Winter- oder Ganzjahresreifen
- Reifenflanke ablesen:
Beispiel: 205/55 R16 91V. „V“ steht für einen Index bis 240 km/h. - Fahrzeugschein checken:
In der Zulassungsbescheinigung Teil 1 unter Ziffer 15.1/15.2, im alten Fahrzeugschein unter den Nummern 20–23 - Vergleich mit Tabelle:
P = 150 km/h
Q = 160 km/h
R = 170 km/h
S = 180 km/h
T = 190 km/h
H = 210 km/h
V = 240 km/h
VR = über 210 km/h
W = 270 km/h
Y = 300 km/h
ZR = über 240 km/h
Hintergründe der Regelung
Die italienische Vorschrift zielt primär auf Verkehrssicherheit. Winterreifen verlieren bei Hitze an Haftung, haben längere Bremswege und verschleißen schneller – eine Gefahr für alle Verkehrsteilnehmer. Ein ADAC-Test zeigte, dass Winterreifen bei Sommerhitze bis zu 10 % schlechtere Bremswerte aufweisen. Hinzu kommt ein Umweltaspekt: Der erhöhte Abrieb durch ungeeignete Reifen setzt Mikroplastik frei und belastet langfristig das Ökosystem.
Zudem orientiert sich Italien dabei an die EU-weiten Bestrebungen, Reifenstandards zu vereinheitlichen, so wie durch die Alpine-Symbol-Pflicht im Winter ab 2024.
Kritik an der Regelung: Gut gemeint, aber realitätsfern?
Viele Reisemobilisten und Verbände äußern Kritik an der Regelung:
- Kosten: Der halbjährliche Reifenwechsel kann mit Montage, Lagerung und Neuanschaffung bis zu 1.000 Euro jährlich kosten – pro Fahrzeug.
- Tempolimit-Paradox: Trotz gesetzlichem Tempolimit von 130 km/h verlangt der Gesetzgeber Reifen für 210 km/h und mehr – praxisfremd, sagen Kritiker.
- Komplexität: Laien tun sich schwer, die Speedindex-Regelung zu verstehen – besonders bei Ganzjahresreifen oder Sonderbereifung bei Oldtimern und Offroad-Campern.
- Anreiseprobleme: Im April können Norditalien-Reisende auf winterliche Bedingungen treffen – trotz „Sommerreifenpflicht“.
- Die komplexen Ausnahmeregelungen sorgen ebenfalls für Unmut: Selbst Ganzjahresreifen mit M+S-Kennung sind nur zulässig, wenn ihr Speedindex dem Fahrzeugschein entspricht – eine Hürde, die vor hauptsächlich Laien überfordert. Betroffen sind Oldtimer-Wohnmobile sowie Camper mit Sonderbereifung: zum Beispiel Offroad-Fahrzeuge, deren Bereifung historische, zum Beispiel VR = über 210 km/h oder niedrige Speedindizes, zum Beispiel Q: 160 km/h aufweisen.
ADAC-Empfehlung: Sommerreifen im Sommer – für Sicherheit und Komfort
Der ADAC bleibt bei seiner Empfehlung: Sommerreifen im Sommer, und zwar konsequent.
Vorteile:
- Sicherer auf nasser Straße: Bessere Brems- und Aquaplaning-Eigenschaften.
- Langlebiger: Spezielle Gummimischungen halten länger bei Hitze.
- Ökologischer: Geringerer Rollwiderstand spart Kraftstoff und senkt CO₂-Emissionen.
Ganzjahresreifen sind nur eine Notlösung, da sie weder im Sommer noch im Winter voll leistungsfähig sind. Wer auf Nummer sicher gehen will – und Bußgelder vermeiden möchte – fährt besser saisonal korrekt bereift.
Fazit
Vorschrift nicht neu – Kontrolle wahrscheinlich. Auch wenn keine neue Gesetzeslage vorliegt, könnte die Kontrolldichte ab Mai zunehmen. Urlauber sollten ihre Reifen jetzt überprüfen und gegebenenfalls wechseln – besonders vor der Reise mit Wohnmobil oder Wohnwagen durch Italien. Wer vorbereitet ist, fährt sicherer – und erspart sich im Zweifel ein teures Bußgeld.
Text: Volker Ammann, Titelbild: ©AdobeStock, m.mphoto